Die Phytotherapie oder Pflanzenheilkunde ist die Lehre von den Heilpflanzen und deren Anwendung als Arzneimittel. Durch ihre weltweite Verbreitung ist sie in den unterschiedlichsten Kulturkreisen zu finden. Zudem ist die Phytotherapie einer der ältesten Naturheilverfahren.

Ein Nebenzweig der Phytotherapie ist die Pharmakognosie. Sie erforscht die chemische Zusammensetzung und die Wirkstoffe der einzelnen Heilpflanzen. Die Inhaltsstoffe werden teilweise in ihre Bestandteile zerlegt, die unterschiedliche heilsame Wirkungen haben können. Hierbei ist anzumerken, dass auch die Schulmedizin bei der Herstellung ihrer Präparate auf die Phytotherapie und deren Wirkstoffe zurückgreift.

Das Wirkprinzip der Phytotherapie

Das Prinzip der Phytotherapie besteht darin, die einzelnen Wirkstoffe der Heilpflanzen aus den Pflanzen zu extrahieren und sie als Arznei zur Verfügung zu stellen. Im Wesentlichen lassen sich die Wirkstoffe in folgende Klassen unterteilen:

  • Mineralstoffe
  • Bitterstoffe
  • Ätherische Öle
  • Gerbstoffe
  • Vitamine
  • Spurenelemente

Viele Heilpflanzen wurden auf ihre Wirksamkeit hin untersucht und damit die Phytotherapie auf eine wissenschaftliche Basis gestellt. Auch von Ärzten der Schulmedizin wird sie bei leichteren chronischen Erkrankungen sowie bei funktionellen und psychosomatischen Störungen als ergänzende Therapie empfohlen.

Die Darreichungsformen der Phytotherapie sind sehr vielfältig. Das Spektrum umfasst Teezubereitungen, Säfte, Dragees, Tinkturen und einige mehr. Hier zeigen sich auch ihre Berührungspunkte zur Homöopathie. Inhalationen sowie Bäder und Umschläge sind die äußerlichen Anwendungsbereiche.

Phytotherapie mit hohem Qualitätsstandard

In der Apotheke gekaufte Heilkräuter sind qualitativ stets hochwertig. Sie müssen im Deutschen Arzneibuch (DAB) gelistet sein und dessen Anforderungen erfüllen. Diese Heilpflanzen werden entweder an geeigneten Standorten gesammelt oder rein biologisch angebaut. Die in Supermärkten angebotenen Tees entsprechen dieser Spezifikation nicht, da für sie lediglich das Lebensmittelrecht gilt. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass diese mit Umweltgiften (Rückstände aus Pestiziden) belastet sind.

Nur wer über ausreichende botanische Kenntnisse verfügt, kann Heilkräuter und Wurzeln selbst sammeln. Es besteht immer die Gefahr einer Verwechslung mit giftigen Pflanzen. Das Sammeln bedrohter Pflanzenarten und das Ausgraben von Wurzeln sollten unterbleiben.

Kleiner Ausflug in die Geschichte der Phytotherapie

Die ersten historischen Aufzeichnungen finden sich in 6000 Jahre alten Keilschriften auf Tontafeln, die am Persischen Golf gefunden wurden. Ein aus dem alten Ägypten stammender Papyrus  verzeichnet 600 Pflanzen, denen bereits die einzelnen Anwendungsgebiete zugeordnet wurden. Im fernen Osten ist es China, das auf das erste Kräuterbuch verweisen kann. Es enthält über 1000 Heilpflanzen und ist um 3000 v. Chr. entstanden.

Von Hippokrates (um 460 v. Chr. bis um 370 v. Chr.), dem berühmtesten Arzt der Antike, ist bekannt, dass er sich ausgiebig mit Kräutern zu Heilzwecken beschäftigte, ebenso wie der Arzt Dioskorides. Diesem ist das erste Medizinische Lehrbuch (1. Jh. n. Chr.) zu verdanken. Etwa zur gleichen Zeit erstellte der römische Arzt Plinius Secundus ein Heilpflanzenlexikon mit dem beachtlichen Umfang von zwölf Bänden. Als Urvater der modernen Pharmakologie gilt Claudius Gelenus, der im 2. Jh. N. Chr. lebte.

Im Mittelalter waren es vor allem Mönche und Nonnen, die sich ausgiebig mit der Pflanzenheilkunde beschäftigten. Besondere Erwähnung verdient die Benediktinerin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1089 – 1179). Der bekannteste Arzt des Mittelalters war Paracelsus. Seine Signaturenlehre besagt, dass vom Aussehen einer Pflanze auf ihre Heilwirkung geschlossen werden kann. Diese Lehre wurde lange belächelt, erfährt aber heute in der modernen Medizin eine Renaissance. So erinnert das bei Atemwegserkrankungen als Tee eingesetzte Lungenkraut in seinem Aussehen an Lungengewebe.

Zu den finstersten Kapiteln des Mittelalters zählt die Inquisition. Viele heilkundige  Frauen und Männer, die sich der Pflanzenheilkunde widmeten, wurden als Hexer und Hexen verfolgt. Auf diese Weise ging viel Wissen um die Phytotherapie verloren. Später war es der „Siegeszug“ der Chemie, der die Lehre von den Heilpflanzen in den Hintergrund drängte. Erst in neuerer Zeit wurde diese schließlich wiederentdeckt.

Die Pfarrer Kneipp, Künzle und Weidinger verfolgten konsequent weiter die Ansätze der Phytotherapie, die der Arzt Dr. Rudolf Fritz Weiss im 20. Jahrhundert auf eine wissenschaftliche Basis stellte. Mit seiner Gründung des ersten Lehrstuhles für Phytotherapie in Deutschland hat diese Disziplin ihre verdiente Anerkennung durch die Schulmedizin erfahren.

Die Phytotherapie im Hausgebrauch

Die Zubereitung von Tees, Teemischungen und Pflanzenauszügen gehört zu den bevorzugten Anwendungsformen im Hausgebrauch. Doch nur wenn diese mit entsprechender Sorgfalt hergestellt werden, können sie ihre heilende Wirkung voll entfalten. Daher an dieser Stelle einige praktische Ratschläge.

Teezubereitungen wirken am besten, wenn sie schluckweise getrunken werden, am besten morgens auf nüchternen Magen und abends vor dem Schlafengehen. Mit einem leeren Magen können die Schleimhäute die Wirkstoffe wesentlich besser absorbieren. Die Dosierung beläuft sich meist auf ein bis zwei Teelöffel pro Tasse, Kinder unter sechs Jahren erhalten die halbe Dosis. Tees zur Linderung von Atemwegserkrankungen (Husten, Bronchitis usw.) können gesüßt werden. Bei vielen anderen Tees, vornehmlich bei Magen- und Darmbeschwerden) sollte auf einen Zuckerzusatz verzichtet werden. Ein spezielles Anwendungsgebiet sind Tees, die zum Gurgeln und für Mundspülungen verwendet werden (Salbei). Hier sollte die Gurgelzeit mindestens eine Minute, besser bis zu fünf Minuten betragen.

Bei der Zubereitung bestimmter Pflanzenbestandteile können dem Laien ohne sachkundige Anleitung schnell Fehler unterlaufen. In diesen Fällen ist die Wirksamkeit nicht mehr gegeben. Deshalb einige praktische Tipps zum richtigen Umgang mit den Heilpflanzen der Phytotherapie:

  • So trivial es klingen mag, aber es macht einen Unterschied, ob ein Teebeutel in heißes Wasser gehängt oder mit diesem übergossen wird. Auch die Temperatur spielt eine nicht unwesentliche Rolle.
  • Malvenblüten dürfen nur mit lauwarmem Wasser übergossen werden. Damit sie ihre Wirkstoffe freisetzen können, sollte der Tee anschließend eine Stunde lang ziehen.
  • Blüten, Samen und Blätter sowie andere Pflanzenbestandteile (Wurzeln), die ätherische Öle enthalten, werden stets mit kochendem Wasser übergossen, abgedeckt und nach fünf bis zehn Minuten abgeseiht.
  • Verschiedene Kräuter und Wurzeln (Eibischwurzel) werden mit kaltem Wasser übergossen und erst dann aufgekocht
  • Eine lange Kochzeit von 10 bis 15 Minuten brauchen Rinden, Hölzer, Wurzeln und manche Kräuter, wenn diese Gerbstoffe und Kieselsäure enthalten.
  • Bei hitzeempfindlichen und zugleich wasserlöslichen Bestandteilen, wie sie in Baldrian und Misteltee enthalten sind, empfiehlt sich ein Lösen der Bestandteile in kaltem Wasser (ca. eine halbe Stunde).

Die Phytotherapie stellt strenge Anforderungen an Ernte, Trocknung und den Verarbeitungsprozess der Heilkräuter. Auch die Aufbewahrung ist ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit. Deshalb sollten Kräutertees in verschlossenen Gläsern an einem kühlen und dunklen Ort aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungszeit beträgt maximal ein Jahr.

Weitere Darreichungsformen in der Phytotherapie sind

Inhalationen

Inhalationen finden ihre bevorzugte Anwendung bei Erkältungsbeschwerden wie Husten, verstopfte Nase, Bronchitis und Halsschmerzen. Bekanntes Beispiel ist die entzündungshemmende und schleimlösende Wirkung der Kamille. Hierzu werden die Kräuter oder Blüten in einem Topf aufgekocht. Die Dämpfe werden eingeatmet, in dem sich der Patient über den Topf beugt. Ein über den Kopf gelegtes Handtuch verhindert das Entweichen der Dämpfe. Alternativ kann auch ein im Handel erhältlicher Inhalator zum Einsatz kommen.

Bäder und Umschläge

Für Voll- und Teilbäder werden größere Mengen an Tees, Kräutern und Extrakten benötigt. In der Regel wird mit einem Esslöffel pro Liter Wasser gerechnet. Nach dem Zufügen ins Badewasser sollte noch zehn Minuten mit dem Bad gewartet werden, damit sich alle Inhaltsstoffe entfalten können. Die empfohlene Temperatur liegt bei 35°C bis 40°C. Ansteigende Fußbäder haben sich bei Durchblutungsstörungen und zur Abwehr von Erkältungen bewährt. Bei Herz-Kreislauf-Problemen und Erkrankungen der Venen sollte vorsichthalber auf ansteigende Bäder verzichtet werden.

Für Körperwaschungen (z. B. bei Hautunreinheiten) werden Tücher oder Mullstücke mit dem Tee getränkt. Die Waschung erfolgt sanft und ohne Druck mit kreisenden Bewegungen. Umschläge haben die Aufgabe, die Inhaltsstoffe über längere Zeit abzugeben. Deshalb sollten diese mehrere Stunden auf den betreffenden Hautpartien liegen bleiben. Bei der Anwendung am Auge ist zu beachten, dass die Flüssigkeit stets von außen nach innen ablaufen kann.

Teezubereitungen und deren Anwendung in der Phytotherapie

Die Verwendung von Heilkräutern als Teezubereitungen hat sich in der Phytotherapie zur Vorbeugung und unterstützenden Behandlung bewährt. Als Hausmittel leisten sie insbesondere bei den folgenden Beschwerden wertvolle Dienste:

  • Erkältungen und Infektionen der Atemwege
  • Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems (bei leichten Krankheitsformen)
  • Magenbeschwerden und Verdauungsprobleme
  • Hauterkrankungen, Allergien sowie leichte Verletzungen und Prellungen
  • Blasenbeschwerden
  • Menstruationsstörungen

Gegenanzeigen

Die Präparate der Phytotherapie werden schonend zubereitet und in der Regel daher auch gut vertragen. Abzuraten ist von eigenmächtig hergestellten Kräuterkombinationen ohne  entsprechendes Fachwissen sowie die Einnahme größerer Mengen über einen langen Zeitraum.

Bei diesen Gegenindikationen sollte die Einnahme aller Medikamentengruppen nur nach Konsultation eines Arztes oder Heilpraktikers erfolgen:

  • Schwangere und Stillende
  • Personen mit organischen Erkrankungen
  • Schwächung des Immunsystems

Falls nach drei Tagen keine Verbesserung eintritt oder Schmerzen und Fieber auftreten, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Erbrechen, Durchfall, Magenschmerzen und allergischen Reaktionen ist die Phytotherapie abzubrechen. Wie Sie sehen, ist die Phytotherapie eine sehr vielseitige, aber auch komplexe Behandlungsmethode der Alternativmedizin.

 

Über den Autor

Gründerin und Geschäftsführerin von Augenakupunktur Noll. Staatlich geprüfte Heilpraktikerin und Absolventin der Heilpraktikerschule Dr. Jung in Kronberg (Taunus). Zertifizierte Akupunkteurin nach Prof. John Boel.

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